Wie ich arbeite ... Gergei Erdei
In dieser Reihe nehmen wir Dinge, Orte und Menschen unter die Lupe, die das Arbeitsleben von Kreativschaffenden inspirieren. Für die dieswöchige Ausgabe hat sich Marie Claire Chappet mit Gergei Erdei getroffen.
Der Mode- und Inneneinrichtungsdesigner Gergei Erdei sucht in der Vergangenheit nach kreativen Inspirationen – seien es die MGM-Filmstudios, Studio 54 oder historische Filmkostüme. Der in Ungarn geborene und aufgewachsene Künstler, der heute in London lebt, begann seine Karriere bei Gucci in Rom unter Alessandro Michele, dem damaligen Kreativdirektor der italienischen Marke. Erdei gründete 2019 seine gleichnamige Homeware-Marke – eine maximalistische Fundgrube voller Fantasie. Im Gespräch mit Service95 erzählt er von seiner Arbeits-Playlist, der Bedeutung des morgendlichen Kaffees und davon, wohin sein kreativer Geist ihn als Nächstes führen wird …

Über seinen Arbeitsplatz … Ich habe zwar ein Atelier, aber wenn es um kreatives Gestalten geht, dann arbeite ich lieber in meinem Haus in Bloomsbury. Normalerweise setze ich mich an meinen großen Esstisch, der dann mit Stiften, Papier und Farben vollgeräumt ist. Ich bewahre alles in diesen großen marmorierten Kisten auf einem Regal auf, wodurch es sich anfühlt, als würde ich in einer alten Bibliothek arbeiten. So kann ich alles in den Kisten verstauen, damit der Platz zum Essen und Arbeiten getrennt genutzt werden kann.

Über seine Arbeits-Playlist … Wenn es still ist, kann ich nicht arbeiten. Ich lege alten klassischen Soul und Musik aus den 1960er- und 1970er-Jahren auf. Das ist meistens es eine kunterbunte Mischung: Ria Bartok, La Femme und The Cramps … Das stimmt mich auf meine kreative Arbeit ein.
Über Arbeitsrituale … Ich gehe den Tag gerne langsam an. Das heißt für mich, dass ich mich mit einem Kaffee im Bett entspanne, dann aufstehe und ein ordentliches Frühstück zu mir nehme – Eier, Obst oder was Anderes. Mit der Arbeit beginne ich am späten Vormittag, manchmal sogar erst um die Mittagszeit. Ich nehme mir gerne Zeit für vernünftige Schaffensprozesse, ich hetze nicht. Meine langen Vormittage sind für mich fast ein meditativer Prozess. Ich kann dann bis spät in die Nacht arbeiten, deshalb tut mir diese Ruhe zu Beginn des Tages so gut.

Über die Suche nach Inspirationen … Ich bin ein sehr visueller Mensch, darum sprechen mich Bilder sehr an. Die alten MGM-Musicals, die Filme mit Fred Astaire in den großen Studios und die Marilyn-Monroe-Komödien sehe ich am liebsten. Ich denke immer an das Budget, das damals für Kulissen und Kostüme ausgegeben wurde – einfach unglaublich. Das Gleiche gilt für die Werbung aus dieser Zeit, nach der ich in alten Zeitschriften und im Internet suche. Vor Kurzem habe ich auch den Harry-Styles-Film Der Liebhaber meines Mannes gesehen und war von den Kostümen so inspiriert; diese hübschen Faltenwürfe der 1950er-Jahre!

Über seine Arbeitskleidung … Ich arbeite von zu Hause aus und achte darauf, dass ich trotzdem etwas Vernünftiges trage; Jeans und Hemd, so etwas in der Art. So fühle ich mich zurechtgemacht und bereit für die Arbeit. Ich trage immer noch viel Gucci und bin auch ein großer Fan von Sandro, gemischt mit ein bisschen Vintage. Ich trage das Parfum Nasomatto. Es hat eine leichte Note von Whisky, wodurch ich nach einem leckeren Cocktail dufte.

Über das Reisen … Budapest wird immer ein besonderer Ort für mich sein. Von Rom, wo ich früher gearbeitet habe, lasse ich mich immer gern inspirieren. Ein Ort, an den ich in letzter Zeit viel gereist bin, ist Marrakesch. Dort kann ich einfach abschalten und hänge nicht die ganze Zeit an meinem Handy. Es gibt einfach an jeder Ecke etwas Schönes zu sehen: die Farben, die Straßen, die Riads. Es ist unglaublich.

Über Vorbilder … Ich schaue mir gerne an, wie andere Designer*innen, die ihre eigenen Marken gegründet haben, ihre Unternehmen aufgebaut und konzeptioniert haben. Die Geschichte von Ralph Lauren ist eines meiner Lieblingsbeispiele.

Über Online-Vorlieben … Ich folge Alessandro Michelle – er postet immer wieder fantastische Kunst und Interieurs. Und @petuniawinegum ist voll mit Standfotos aus Filmen der 1960er- und 1970er-Jahre mit den unglaublichsten Details.

Über Karrieretipps … Der beste Rat, den ich je erhalten habe, war: Es kostet nichts, nett zu den Menschen zu sein. Das ist so wichtig. Anderen gegenüber freundlich zu sein, ist nicht nur das Richtige, sondern hilft dir auch bei deiner Karriere, denn die Leute erinnern sich daran.
Über Zukunftsperspektiven … Wenn ich das hier nicht machen würde, würde ich mir trotzdem etwas im kreativen Bereich suchen. Vielleicht als Fotograf? Ich weiß nie, wo ich sein werde oder was ich als Nächstes mache – ich langweile mich sehr leicht –, aber ich weiß, dass ein kreativer Prozess viele, viele Türen öffnen kann. Das ist ein beeindruckender Skill, der sich auf andere Bereiche übertragen lässt.
Marie-Claire Chappet ist eine in London ansässige Kunst- und Kulturjournalistin und mitwirkende Redakteurin bei Harper’s Bazaar.