Agnes?: Die faszinierende Unterwasserkünstlerin
Die italienische Performancekünstlerin Agnes? (ausgesprochen „Agnes Questionmark“), die früher als Gucci-Model tätig war, beschreibt ihre Arbeit als Reise an einen Ort, „wo es unter den Menschen Nymphen und Fabelwesen gibt“. Viele ihrer Auftritte, in denen Agnes? das Publikum dazu bringt, die Vergänglichkeit des eigenen Körpers zu hinterfragen, finden unter Wasser statt. „Ich bin davon besessen, unmenschlich zu werden – ein Teil der Mythologie“, sagt sie.
Ihre Kunst entspringt dem Streben, ihre eigene Identität zu verstehen: In ihrer Kindheit wurde eine unzerbrechliche Bindung zum Ozean geschaffen, die sich nun in ihrer Kunst widerspiegelt. Ihr Vater war Bootsarchitekt mit einer Leidenschaft fürs Segeln. Zusammen verbrachten sie Monate auf See. „Als ich begann, das Meer zu bereisen, verstand ich, dass das Wasser ein Ort von großer Bedeutung und Symbolik ist“, sagt sie. „Die Fluidität des Meeres entsprach der meiner Arbeit.“
Kürzlich trat Agnes? in einer Kampagne des Modelabels Valentino auf, in nichts gekleidet als in ein Paar der markeneigenen fuchsiafarbenen Tan-Go-Plateau-Heels – gemeinsam mit der Trans-Künstlerin Nettuno, dem Model Lina Giselle und DJ Charli, die aussah, als wäre sie einem Renaissance-Gemälde entsprungen, was Agnes?s eigenen künstlerischen Ausdruck perfekt ergänzt.
Bei Transgenesis, einer begeistert aufgenommenen Performance von Agnes? im Jahr 2021, wurden die Zuschauer in ein heruntergekommenes Freizeitzentrum eingeladen und durch einen schwach beleuchteten Tunnel geführt, der einer Koronararterie ähnelte. Fötus-ähnliche Latexskulpturen schmückten die Wände des Ganges, der sich schließlich in eine verspiegelte Kammer mit weißem Sandboden und schimmernden Meeresskulpturen aus Keramik öffnete. Agnes? stand auf einer riesigen Oktopus-ähnlichen Installation und die Menge beobachtete fasziniert ihre tiefen Atemzüge, im Einklang mit einem Lied, das an Walgesänge erinnerte.
„Ich fühlte mich völlig unmenschlich, besonders als ich in die Gesichter der Menschen schaute, die mich ansahen“, sagt sie. „Sie sahen etwas, das sie noch nie zuvor gesehen hatten. Ich fühlte mich wie eine Göttin. Ich wollte, dass die Leute denken: „Ich bin woanders. Ich betrete einen Mutterleib und bewege mich in Richtung eines anderen Zustands und einer neuen Dimension.“
Transgenesis war an 23 aufeinanderfolgenden Tagen acht Stunden am Tag zu sehen. Der erste Tag der Performance war auch Tag 1 ihrer Hormontherapie. „Es war alles so überwältigend“, erinnert sie sich. Gleichzeitig ermöglicht ihre Leidenschaft, ihre eigene Verwandlung zu teilen, dem Publikum, während ihrer Performance auf eine ähnlich tiefgreifende existenzielle Reise mitgenommen zu werden.
Mit einem Stipendium für das Studium integrierter Praktiken am Pratt Institute in Brooklyn in New York möchte Agnes? noch tiefer in ihr Verständnis der Biologie der Meere eintauchen, um ihre Unterwasser-Performance um eine weitere Dimension zu bereichern. Und ihr nächstes Ziel? Sie möchte eine Ausstellung in ihrer Heimatstadt Rom veranstalten, die zeigt, wie sie sich zu der visionären, selbsternannten „Trans-Spezies-Künstlerin“ entwickelt hat, als die sie sich heute identifiziert. „Mein ultimativer Traum ist es, weltweit riesige Installationen umzusetzen. Ich will Agnes? für alle! Fluidität für alle!“
Pia Brynteson ist Redaktionsassistentin bei Service95